Kennst du den kleinen Film mit der Corona-Mama, die in Quarantäne gehen soll?
Eine Stimme aus dem Off sagt: „Sie müssen jetzt in Quarantäne gehen… sie haben zwei Möglichkeiten. A) mit ihrem Mann und mit ihren Kindern und B)“ –
Sie fällt der Stimme ins Wort und platzt heraus: „B! Antwort B!“
Die Kinder sind gelangweilt, sie streiten, sie verhauen sich und nörgeln. Sie kleben an dir, zerren an dir (wirklich im wörtlichen Sinne). Du hast das Gefühl, ständiger Bespaßungsclown zu sein? Du könntest aus der Haut fahren, wenn noch jemand in Nörgelstimme mit dir spricht?
Solche Tage haben wir jetzt alle, mehr oder weniger. Mach dir keine Vorwürfe. Es ist nicht natürlich, dass wir mit einer winzigen Handvoll Personen Wochenlang zusammengesperrt sind. Der Mensch ist ein Herdentier und braucht Kontakte.
Können wir aber nicht ändern.
Wie sollen wir also überleben, ohne irgendwann zu explodieren? Wie das Ganze sogar noch genießen und für sich nutzen?
Vor zwei Tagen war ich an diesem Tief-Punkt. Ich dachte, wenn mir jetzt noch ein Kind mit den spitzen Knien zuerst auf den Schoß hüpft und sich gegen mich plumpsen lässt um mit gelangweilter Stimme: “Mamaaaaaaaaaa? Kann ich Schokolaaaaaaadeee essen?” quengelt, dann raste ich aus.
Mein Mann kam heim und war genervt. Er führte ein paar Telefonate wegen einem Paket, dass nicht an der richtigen Adresse angekommen war. Er motzte herum und dabei war er meine letzte Hoffnung gewesen.
Keine Chance. Der Tag, zum aus dem Kalender streichen.
Aber dann war mein Mann doch meine Rettung.
Und das, weil ich durch ihn wieder mal verstanden habe, wie wichtig das kleine Zauberwörtchen ist. Nicht “Bitte”. Sondern noch kürzer.
“Nein”. Nein sagen ist eine Lösung. Für alle.
Ich versuchte meinem Mann zu erklären, wie fürchterlich nervig der Morgen war. Er überlegte kurz, dann schickte er alle Kinder weg. Sie sollten im Kinderzimmer spielen. Sie quengelten und gingen mit Stöcken aufeinander los, aber er schob sie nur nach hinten in ihr Zimmer. “Blöder Papa”, überging er einfach.
Mein Mittlerer kam nach wenigen Minuten zurück geschlendert und setzte sich auf meinen Schoß. “Wir brauchen die Radpumpe”
“Ich weiß nicht wo die ist”, sagte ich.
“Dann suuuuch sie”, forderte er.
Mein Mann beobachtete das. Dann sagte er: “du gehst jetzt nach hinten und spielst dort. Ohne Pumpe”
“Aber..”
“Nein, ohne Pumpe!”
“Blöder Papa!”
Mein Mann stand auf und brachte unseren Mittleren nach hinten. “Ohne Pumpe!”, setzte er freundlich aber bestimmt nach.
Ich dachte noch, das ist ganz schön hart.
Ich dachte erschreckt: die armen Kinder.
Aber es dauerte keine 10 Minuten und sie versanken im schönsten Spiel. Ja ehrlich! Ich hatte fast eine ganze Stunde ohne Quengel und Piens!! Und wie zufrieden die Kinder erst waren!!
Kein Witz. Ehrlich!!
Ich habe dann darüber nachgedacht, wieso es diese “harte” Ansage nötig war.
Kinder brauchen Klarheit und ein authentisches Gegenüber. Menschen brauchen Klarheit und ein authentisches Gegenüber. Kinder haben fast magische Antennen dafür, zu spüren, wenn du nicht echt bist, nicht du selbst und sie konfrontieren dich damit, bis du es begreifst. (Oder gerettet wirst – was, wie wir wissen, selten passiert!)
Wenn du 20 Mal am Tag “Jaaaeiiin” zu etwas sagst, wozu du eigentlich aus vollem Herzen Nein sagen möchtest, dann steigert sich das Genörgel und Gezerre, denn dein Kind möchte Dich spüren, dir begegnen. Auch wenn es dabei um ein echtes Nein geht. Lieber das, als ein Kaugummi-Ja mit Knoten im Bauch. Nicht umsonst hat Jesper Juul ein Buch geschrieben, mit dem Titel: “Nein aus Liebe!”
Mit jedem Nein, öffnest du die Tür für ein echtes, ernst gemeintes Ja! Wenn deine Kinder erstmal eine Stunde für sich gespielt haben, wirst du sie mit offenen Armen empfangen, sobald sie dann kommen und mal auf deinen Schoß krabbeln wollen.
Und warum fällt uns das Nein sagen so schwer?
- wir verwechseln das Wort “Ja” mit Liebe
- Wir haben Verständnis für das Verhalten. ( Natürlich ist es wichtig für ein Kind mit Seife den Boden einzureiben und dann Mehl darüber zu streuen, oder Fußball an die Wohnzimmerscheibe zu spielen. Was soll das arme Mäuschen denn auch sonst tun, in der Coronakrise? Es macht uns halt nur wahnsinnig. *Ironie aus*)
- Wir versuchen die Familienharmonie zu halten
- Wir versuchen ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Hunger. Durst. Langweile. Ähm – Moment, Langweile erfüllen? Können wir das denn überhaupt?
Meine Kinder hatten den ganzen Tag Hunger und Durst – abwechselnd, an diesem Tag, den ich aus dem Kalender streichen wollte. Sie hatten auf gut Bayrisch: “Gluuscht!”
In dem Moment, in dem sie losspielten, war aller Hunger und aller Durst vergessen!
Sie stritten außerdem an diesem Tag über alles und jedes. Ich hätte ihnen wahrscheinlich identische Häuser bauen können, mit allem darin: sie hätten sich trotzdem gestritten.
In dem Moment, in dem sie losspielten, war aller Streit reine Friedlichkeit und Einigkeit!
Du kannst also weiter versuchen, den ganzen Tag die Bedürfnisse bzw. Wünsche deiner Kinder zu erfüllen, wie ein Aufstehfrauchen.
Hunger.
Durst.
Kuscheln.
Auf deinem Schoß hüpfen.
Aufmerksamkeit. Vorlesen.
Spielen.
Essen.
Naschen.
Wieder vorlesen.
Fernseeeeheeeer.
Schooookoooladee.
Basteln.
Wasserfarben.
Sich beklagen
Oder du sorgst dafür, dass dein Kind seine Bedürfnisse wieder selbst erfüllt.
Und wie geht das?
In dem du auch mal Nein sagst, wenn du Nein fühlst. In dem du sagst: “Ich will jetzt nicht mit dir Uno spielen” oder: “Jetzt nicht auf meinen Schoß. Nachher gerne!”
Und in dem du verlangst! Ja, verlangst! Dass deine Kinder spielen.
Denn im Spiel erfüllen sich deine Kinder ihre Bedürfnisse selbst:
Sie vergessen Hunger und Durst (den sie gar nicht haben). Sie lernen, schneller als jemals in der Schule.
Sie verarbeiten ihre Erlebnisse und üben Empathie. Sie reifen und wachsen und beschäftigen sich mit den Themen, die sie wirklich interessieren. sie bewegen sich, bauen und konstruieren, lernen alles über Physik, dass sie jetzt wissen müssen.
Und sie erschaffen fantastische Welten, die sie in ihrem Spiel betreten dürfen, ohne das Haus zu verlassen. Und ist das nicht genau das, was wir jetzt alle brauchen könnten?
Erlaubt ist dabei alles, was mehr Spielzeit gibt, als es Aufräumzeit braucht:
Die sprichwörtliche Seife und Mehl auf dem Boden müsste da schon für einen halben Tag Ruhe und vertieftes Spiel sorgen, damit du sie erlauben kannst. Denn hier ist die Putzzeit für dich ziemlich hoch bemessen!
Mache immer diese einfache Rechnung: Wie lange sorgt das, was die da planen für ein fantastisches Spiel – und wie lange brauche ich als Mama, es zu beseitigen?
Denn sobald es nur noch darum geht, hinterher zu räumen, verursacht dein Kind gleichzeitig so viel Dreck und Arbeit, dass du nur noch damit beschäftigt bist: und auch wenn du eine hohe Frusttolleranz hast, wirst du irgendwann ausflippen.
Wenn du noch genauere Tipps brauchst, wie dein Kind ins Spiel findet, dann kannst du auch mein Buch “Schluss mit Mama-Stress” lesen, in dem es hauptsächlich genau darum geht!
Natürlich leiden auch unsere Kinder darunter, jetzt keine Freunde mehr zu treffen, vielleicht vermissen sie auch die Schule, den Kindergarten oder das Sportprogramm am Mittag. Alles ist anders und komisch und die Erwachsenen haben manchmal Angst. Das ist schwer für die Kinder. Ein Grund mehr, ihnen ab und zu ein echtes “Nein – aus Liebe” zu gönnen, statt den ganzen Tag ein “Kaugummi-Jaaaain” nach dem anderen vor ihre Füße zu werfen.
Niemand macht es Spaß, wenn die Kinder herumhängen und nörgeln:
Nicht mal den Kindern!
Also hilf ihnen aus der Krise! Hilf ihnen, in dieser Krise ihre wichtigste Fähigkeit wieder zu entdecken: das vertiefte, kindliche Spiel. Und manchmal beginnt dieses Spiel mit einem klaren und echten NEIN!
Bildnachweis: Marlene Hellene, Twitter.com
Wenn du mehr darüber lesen willst, wie dein Kind endlich auf dich hört, dann ist dieser Artikel vielleicht etwas für dich: „Mein Kind hört nicht und provoziert nur„